Sprachleitfäden, ja oder nein? Gendern mit Stern oder Doppelpunkt? Vorgaben setzen oder Sensibilisierungsworkshops anbieten?
Mit diesen und ähnlichen Fragen setzen sich Unternehmen auseinander, die ihre inklusive Kultur durch Sprache zum Ausdruck bringen wollen. Nach den Inputs von Kommunikationsexpert_innen, Workshops mit Diversity-Praktiker_innen und wissenschaftlichen Hinweisen, kommt die Synergiewerkstatt #36 zu folgenden Erkenntnissen:
- Inklusive Sprache ist kein Set an Regeln, sondern eine Haltung.
- Inklusive Sprache ist zentraler Bestandteil des Diversity Managements und braucht eine Kommunikationspraxis mit Fehlerkultur & Achtsamkeit.
- Inklusive Sprache beinhaltet neben Gendersensibilität auch die Berücksichtigung aller anderen Diversity-Dimensionen, also auch passende Kommunikation für Menschen mit Behinderung, verschiedener Kulturen und Sprachen, Generationen etc.
- Neben formalen Aspekten von Sprache (also ‚wie‘ gesprochen wird) sind genauso auch inhaltliche Aspekte zu beachten (also ‚was‘ gesprochen wird) – dies umfasst die angemessene Bezeichnung von Menschen, wertschätzende Formulierungen und passende Bildsprache.
- Leitfäden zu (gender)inklusiver Sprache werden eher umgesetzt, wenn sie als Empfehlung und nicht als schriftliche Sprachpolizei formuliert sind.
- Der Nutzen von Leitfäden ist dann am größten, wenn Mitarbeiter_innen leicht darauf zugreifen können, sie kurz und smart formuliert sind und nützliche Tipps für den Arbeitsalltag geben.
- Sprache ist im Wandel – Leitfäden und Standards müssen es daher auch sein.
- Um Widerstände abzufedern, sollte von Anfang an ein partizipativer Ansatz gewählt werden – von der Definition der neuen Standards zusammen mit den verschiedensten Zielgrupppen über den Austausch mit den Fachbereichen bis hin zur pragmatischen Hilfestellung bei Rückfragen.
- Widerstände sind immer auch Ausdruck davon, dass sich Menschen mit etwas neuem auseinandersetzen. Bei der Einführung von inklusiver Sprache ist ein begleitender Dialog vorzusehen, um Menschen verstehen zu lassen, warum inklusive Sprache Sinn macht.
- Bei der Einführung und Umsetzung von diversity-sensibler Sprache gibt es kein richtig oder falsch, es geht um den gemeinsamen Weg und Wertschätzung.
Ergebnisse
Sinn und Grenzen von Gendersternchen, -gap und -doppelpunkt
Das generische Fenininum als Standard einführen? Auch damit wäre der Sinn und Zweck von gendersensibler Sprache verfehlt! Denn gendersensible Sprache bedeuted nicht nur, den Blickwinkel von männlichen Mitarbeitern auf weibliche Mitarbeiterinnen zu lenken – es bedeuted vielmehr, ALLE Gender in den Blick zu nehmen. Doch auch die verschiedenen Formen von genderinklusiven Ansprachen haben jeweils Vor- und Nachteile… mehr Details in unseren Ergebnisdokumenten:
Entwicklung eines Leitfadens zur gendergerechten Sprache bei Roche. Erfahrungen und Empfehlungen
Impulsvorstrag von Ikbal Hatihan (Corporate Communications Managerin bei Roche)
Als einer der „hellsten Köpfe der PR“ ausgezeichnet, fasst Ikbal Hatihan sehr prägnant die wichtigsten Leitplanken zusammen, die den Genderleitfaden bei Roche definieren: Eleganz, Leichtigkeit, Pragmatismus.
Der Leitfaden zur Gendersensiblen Sprache bei Roche wurde federführend von Ikbal Hatihan erstellt und umgesetzt. Für die Umsetzung arbeitete sie mit den Expert_innen der DACH Region zusammen, die ihrerseits Vorschläge aus ihren Standorten mit einfließen ließen. Am Ende dieses partizipativen Prozesses entsand ein kurzer Leitfaden mit smarten Formulierungen, die eine Haltung widerspiegelt, die mehr Empfehlung und Hilfestellung als anweisende „Sprachpolizei“ ist.
Höhen und Tiefen – Die Einführung gendersensibler Sprache
Impulsvortrag von Britta Riedl (Sprachexpertin bei Allianz)
Britta Riedl begleitet seit mehreren Jahren die Einführung von gendergersensibler Sprache bei der Allianz (intern wie extern). Ihr Bericht zeugt von viel Geduld und noch mehr Herzblut. Ein klares Commitment der Unternehmensleitung und inklusive Sprache als Standard in der Unternehmenskommunikation waren die wichtigsten Erfolgskriterien.
Die konkreten Empfehlungen der Sprachexpertin für die Einführung und Umsetzung von gendersensiblen Leitfäden in Unternehmen, sind:
- Bringt VIEL Geduld mit
- Setzt Leitfäden schrittweise um
- Seid flexibel & pragmatisch in der Umsetzung
- Argumentiert faktenbasiert (z.B. auf Basis von Marktforschungsergebnissen)
- Es braucht eine klare Philosophie und Haltung des Unternehmens
- Leitfäden müssen verständlich sein und empathisch formuliert
- Nehmt Kritik nicht persönlich
Was bedeutet inklusive Sprache? Der Weg vom Gendersternchen zur Wertschätzung
Input von Dr. Petra Köppel, Inhaberin von Synergy Consult
Mit einer Definition von inklusiver Sprache bringt Dr. Petra Köppel auf den Punkt, was sich bei der Kontroverse um Genderleitfäden und Sprachgebrauch in Unternehmen verdichtet: Es geht darum, sich des eigenen Sprachgebrauchs bewusst zu werden. Das ist der entscheidende erste Schritt, um Diskriminierung und Ausgrenzung auf verbaler Ebene zu vermeiden und Einbeziehung zu leben. Dabei spielen Form und Inhalt eine entscheidende Rolle:
Methodisch ist dabei eine sensibilisierende, partizipative Herangehensweise zu empfehlen, die Maßnahmen umfassen kann, wie zum Beispiel
- Gemeinsame Entwicklung neuer Standards
- Workshops mit den Fachbereichen (z.B. Marketing, Recht, Produktion…)
- Sensibilisierungstrainings
- Selbstlern- und Spracherkennungstools
- Kommunikationskampagnen mit Postern und Videos
- Allies, die als Vorbild agieren
Ideen und Erfahrungen aus der Praxis gab es in den 3 Workshops:
Workshop 1 - Implementierung: Welche Methoden zur Einführung inklusiver / gendergerechter Sprache gibt es?
Fazit: Zur Implementierung von inklusiver Sprache sind Vorbilder und Multiplikator_innen ebenso bedeutend wie das Commitment der Unternehmensführung. Die Methoden zielen auf Information, Sensibilisierung und Aktivierung aller ab.
Workshop 2 - Wie können Widerstände gegenüber inklusiver / gendergerechter Sprache überwunden werden?
Fazit: Um Widerstände zu verstehen, empfiehlt es sich, die Beweggründe dahinter zu erfahren – z.B. die Angst vor dem Verlust von Privilegien. Diese sind ernst zu nehmen und entsrpechend im Prozess zu berücksichtigen.
Workshop 3 - Wie sprechen wir potentielle Bewerber_innen mit unseren Stellenanzeigen an?
Fazit: Bei der Formulierung von Stellenanzeigen ist die Perspektive von Minderheiten einzunehmen um konsequent Formulierungen und Inhalte aus deren Blick zu reflektieren und anzupassen. Wir haben eine Checkliste erarbeitet, die bei der Erstellung von inklusiven Stellenanzeigen hilft.
Porträts der Referent_innen
Ikbal Hatihan – Roche
Ikbal Hatihan arbeitet als Corporate Communications Managerin bei Roche. Nach einem Wirtschaftsstudium in Nürnberg und Istanbul wurde sie 2020 als eine der 100 hellsten Köpfe der PR ausgezeichnet. Seit 2021 darf sie sich zertifizierte Diversity Managerin nennen – ihr persönliches Herzensthema! Ihre Passion für Diversität und Inklusion bringt sie neben ihrem Job ehrenamtlich als Beisitzerin im Landesvorstand Bayern der DPRG (Deutsche Public Relations Gesellschaft) voran und ist regelmäßig Speakerin auf diversen Konferenzen wie z.B. auf der diesjährigen Telekom DigitalX Konferenz in Köln mit dem Thema "Weg mit Pinkwashing - Entdecke die unsichtbare Vielfalt im eigenen Unternehmen" und auf der Inkometa Konferenz zur internen Kommunikation in Berlin.
Dr. Petra Köppel – Synergy Consult
Dr. Petra Köppel ist Volkswirtin und promoviert in Personal und Organisation. Als Inhaberin des Beratungsunternehmens Synergy Consult begleitet sie Unternehmen bei der Einführung, Weiterentwicklung und Erfolgserhebung von Diversity Management, um vor allem den Business Case aufzubauen. Dabei steht die Gestaltung einer wertschätzenden Unternehmenskultur im Vordergrund. Sie ist Autorin zahlreicher Bücher und Artikel zu Diversity und tritt als Kongresssprecherin auf. Zuvor war sie als Projektmanagerin bei der Bertelsmann Stiftung und im HR Management von deutschen Großunternehmen sowie in der Wissenschaft tätig.
Dr. Steffi Nothnagel – Synergy Consult
Dr. Steffi Nothnagel ist Gründerin von Divcono (2021) und Partnerin von Synergy Consult. Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre (Schwerpunkt HRM) und der Interkulturellen Kommunikation war sie zwischen 2006 und 2021 mehr als 10 Jahre lehrend und forschend als wissenschaftliche Mitarbeiterin an verschiedenen deutschen Universitäten in den Bereichen Interkulturelle Kommunikation, Kulturpsychologie, Pädagogik und angewandte Sprachwissenschaft tätig. Promoviert hat sie 2015 zum Thema Interkulturelles Lernen/Erfahrung kultureller Differenz. Zudem war sie zwischen 2017 und 2019 als freiberufliche interkulturelle Trainerin und Beraterin tätig und engagierte sich von 2009 bis 2014 ehrenamtlich im Fachbeirat von AFS Interkulturelle Begegnungen e.V.
Britta Riedl – Allianz
Britta Riedl ist Diplom-Psychologin und arbeitet seit 2002 bei der Allianz. Zunächst im Bereich Human Resources als Coach für die Personalentwicklung verantwortlich, beschäftigt sie sich seit 2009 leidenschaftlich mit dem Thema Sprache, erst im Marktmanagement und seit 2022 in der Allianz Kunde und Markt GmbH. Die Individualität der Menschen und ihre Ausdrucksformen, insbesondere im geschriebenen und gesprochenen Wort, faszinieren und begeistern sie beruflich wie privat. Daher liegt ihr viel an der Gleichberechtigung durch eine gendersensible Sprache, wofür sie ein Netzwerk aus internen und externen Kommunikationsexpert_innen aufgebaut hat und laufend erweitert.
Birgit Stecher-Hame – Synergy Consult
Birgit Stecher-Hame ist als Senior Consultant bei Synergy Consult im Bereich Training und Beratung tätig. Sie hat Erziehungswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert und langjährige Berufserfahrung an den Schnittstellen zwischen Wirtschaft, Staat und Gemeinwesen gesammelt. Projekte in interkulturellen Kontexten sowie zur Förderung von sozialer Mobilität und zur Integration Älterer in den Arbeitsmarkt sind Felder, in denen sie verschiedene Dimensionen von Diversität erlebt und gestaltet hat. Sie hat eine Fortbildung an der ‚Cambridge Judge Business School‘ zum Thema ‚Diversity, Equity and Inclusion – Strategies for Business Impact‘ absolviert.
Tagesordnung
08:45 Uhr Check In
09:00 Uhr Eröffnung durch Dr. Petra Köppel (Inhaberin Synergy Consult und Leiterin des Netzwerks ‚Synergie durch Vielfalt‘): ‚Sinn und Grenzen von Gendersternchen, -gap und -doppelpunkt‘
09:30 Uhr Impulsvortrag von Ikbal Hatihan (Corporate Communications Manager Roche): ‚Entwicklung eines Leitfadens zur gendergerechten Sprache bei Roche. Erfahrungen und Empfehlungen‘
10:00 Uhr Impulsvortrag von Britta Riedl (Sprachexpertin Allianz): ‚Höhen und Tiefen – Die Einführung gendersensibler Sprache‘
10:30 Uhr Coffee Talk zum Status Quo und zu Best Practices: Erfahrungsaustausch unter Praktiker_innen
11:00 Uhr Interaktiver Input durch Dr. Petra Köppel: ‚Was bedeutet inklusive Sprache? Der Weg vom Gendersternchen zur Wertschätzung‘
11:30 Uhr Workshops
- Implementierung: Welche Methoden zur Einführung inklusiver Sprache gibt es?
- Widerstände: Wie können Widerstände gegenüber inklusiver/gendersensibler Sprache überwunden werden?
- Externe Unternehmenskommunikation: Wie sprechen wir potenzielle Bewerber_innen mit unseren Stellenanzeigen an?
13:00 Uhr Networking beim Mittagessen
13:30 Uhr Ende