Entwickelt sich die Rollenverteilung zwischen Frau und Mann rückwärts? Diese Frage durchzog die erste virtuelle Synergiewerkstatt ‚Gender und die Krise‘, zu der Dr. Petra Köppel von Synergy Consult im Netzwerk ‚Synergie durch Vielfalt‘ eingeladen hatte. Über 30 Anmeldungen zeigten den hohen Bedarf unter Diversity-Expert_innen großer und mittlerer Unternehmen, diesem Trend entgegenzuwirken
Ergebnisse
Dr. Petra Köppel legte dar, wie Rollenklischees à la „die Frau an den Herd und der Mann an die Front“ weiterwirken: Wir sehen in den Medien fast nur Männer an der Spitze; die Frauen, die „den Laden am Laufen halten“ (nämlich in systemkritischen Tätigkeiten wie Homeschooling und Pflege), sehen wir nicht. Im Fernsehen wird die Krise zu 78 Prozent, in den Online-Medien gar zu 93 Prozent von Männern erklärt. Studien zeigen ebenfalls eine Wiedererstarkung der traditionellen Rollen: 28 Prozent der Frauen im Vergleich zu 17 Prozent der Männer wechseln ins Homeoffice. Dabei bleibt Kinderbetreuung klar in den Händen der (teilzeittätigen) Mütter. Immerhin hat die Krise bewirkt, dass Homeoffice und flexible Arbeitsformen nun weitaus akzeptierter sind als zuvor. Andererseits ist inzwischen allseits bekannt, dass gemischte Teams den Unternehmenserfolg fördern, wie zuletzt McKinseys Studie ‚Diversity Wins‘ wieder einmal belegte. Köppels Fazit: Unternehmen und Menschen, die partnerschaftlicher aufgestellt sind, profitieren von Diversity und bleiben auch in der Krise dabei. Traditionelle Unternehmen und Menschen sind weit entfernt davon.
Monika Schulz-Strelow, Präsidentin von Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) e.V., zeigte den Status quo in deutschen Betrieben von Frauen in Führung auf, gemäß dem Auftrag von FidAR, den Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten und Führungsgremien deutscher Unternehmen zu erhöhen. Seit der Gründung von FidAR sind die Anteile von Frauen in Aufsichtsräten, auf der Anteilseignerseite und in den Vorständen jeweils von einstelligen in (niedrige) zweistellige Bereiche gewachsen. Mit diesen Fortschritten kann FidAR aber nicht zufrieden sein: Eine von vielen erschreckenden Zahlen ist 90 Prozent Männeranteil in den Vorständen großer Unternehmen. Der Women-on-Board-Index von FidAR zeigt, dass von 188 DAX-, MDAX, SDAX- und TecDAX-Unternehmen 75 Unternehmen mit frauenfreier Vorstandsebene für den Vorstand weiterhin Null als Zielgröße für den Frauenanteil angeben. Auch im Detail liegen Tücken: Unbezahlte Ausschussarbeit wird fast nur von Frauen übernommen, wohingegen nur Männer in gut dotierten Ausschüssen sitzen. Forderungen an die Politik, an Unternehmen und Institutionen, an Frauen und Männer münden darin, endlich Stereotype zu überwinden.
Im Interview berichtete Manja König als Mutter von fünf Kindern aus dem Alltag eines berufstätigen Elternpaares zu Coronazeiten. Partnerschaftliches Schultern der Aufgaben mit einer Aufteilung von konzentrierten Arbeitsstunden für beide, die Aufgabe von Perfektionismus sowie langjährig eingeübte Gleichberechtigung ermöglichten beiden Eltern eine fortdauernde Vollzeittätigkeit mit Homeoffice und Kinderbetreuung gleichzeitig. Königs eigene Chefin in vergleichbarer Lage zeigt Verständnis, doch aus ihrem Bekanntenkreis erfährt König von der Ablehnung von Gleichberechtigung und einer Überbeanspruchung der Frau als Mutter, Haushälterin und Arbeitnehmerin. Ihr Fazit: Der erste Schritt ist Verständnis der Vorgesetzten für eine Doppelbelastung, der zweite Schritt ist, Flexibilität zuzulassen. Zudem müssen Rollenklischees sowohl gegenüber arbeitenden Frauen als auch gegenüber fürsorglichen Männern aufgebrochen werden.
In zwei Breakout-Sessions tauschten die Teilnehmer_innen konkrete Lösungsansätze aus:
Unter der Leitung von Anja Siegert erarbeiteten die Expert_innen ‚Gender-Arbeit neu denken in der Krise‘. Angesichts des geringen Status von Familie in Deutschland im Vergleich zu skandinavischen Ländern müssten Unternehmen, aber auch Privatpersonen noch mehr in Lobbyarbeit für familiengerechte Politik setzen. Im Unternehmen sollten männliche und weibliche Positivbeispiele kommuniziert und bewusst alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen werden. Die Unternehmenskultur, in der sich die gesellschaftliche Stimmung wiederfindet, kann gerade jetzt von Diversity Management profitieren. Dies gilt sowohl bei unterschwelligem und offenem Rassismus als auch bei Diskriminierung neuer Randgruppen aus Corona-Hotspots. Ein bewährtes Tool ist zum Beispiel E-Learning zum Unconscious Bias. Auch bei anstehenden Sozialplänen sollte gerade jetzt nicht auf Diversity Management verzichtet werden. Einiges läuft gut wie eine grundlegende Akzeptanz unterschiedlicher Lebensumstände und von Online-Formaten, doch müssen die technischen Voraussetzungen für letztere oft noch ausgeweitet werden.
Dr. Petra Köppel stellte ‚Digitale Formate für das Diversity Management. Die E-Toolbox Diversity‘ vor. Die Corona-Krise stellt uns vor die Herausforderung, den Change-Prozess zu Diversity digital fortzusetzen. Dies kann gelingen – von virtueller Kinderbetreuung über Schulungen für Führungskräfte zu Remote Leadership bis hin zur Veränderung von Rahmenbedingungen. Auch auf Trainings und Workshops zur Entwicklung von Diversity-Kompetenz muss man nicht verzichten – über E-Learning ist auch dies abbildbar. Die E-Toolbox Diversity von Synergy Consult bietet Unternehmen eine Auswahl an digitalen Instrumenten von Analyse über Reflexion bis hin zu Aktion. Die Mitarbeiter_innen wählen sich einzeln oder als Team ein und durchlaufen verschiedene Schritte, um einerseits eigene Einstellungen zu überdenken und andererseits mit Kolleg_innen Prozesse anzupassen. Diese Toolbox kann in ein eigenes LMS integriert oder auf einer externen Plattform zugänglich gemacht werden. Übungen sind auf Deutsch und Englisch erhältlich.
Wir werden im Netzwerk ‚Synergie durch Vielfalt‘ den neuen digitalen Rahmenbedingungen Rechnung tragen und bald wieder eine virtuelle Synergiewerkstatt ausrichten. Sobald es die Umstände erlauben, werden wir uns in einer Live-Werkstatt wiedersehen, und dann im Wechsel virtuelle und reale Präsenz unseren Austausch fortsetzen.
Unsere Impulsgeberin
Monika Schulz-Strelow –
Präsidentin ‚Frauen in die Aufsichtsräte e.V.‘ (FidAR)
Monika Schulz-Strelow hat als langjährige Geschäftsführerin der ‚BAO BERLIN – International GmbH‘ erfolgreich die Interessen der Berliner Wirtschaft weltweit vertreten. Seit 2006 setzt sie viele der Arbeitsbereiche mit ihrem eigenen Unternehmen b.international group fort. Schulz-Strelow betreut mit ihren Netzwerkpartnern Investoren aus dem In- und Ausland und berät internationale Wirtschaftsförderungsgesellschaften.
Sie ist seit 2012 Mitglied im Verwaltungsrat der Deutschen Klassenlotterie Berlin und von 2015 bis Ende 2019 Mitglied des Kuratoriums der RAG Stiftung.
Ehrenamtlich engagiert sich Monika Schulz-Strelow unter anderem seit 2005 in der Initiative ‚Frauen in die Aufsichtsräte‘ und ist Gründungsmitglied und Präsidentin des 2006 gegründeten Vereins ‚FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e.V.‘ Mit FidAR, heute mit über 900 Mitgliedern, setzt sie sich erfolgreich für die nachhaltige Erhöhung des Frauenanteils in deutschen Aufsichtsräten und Führungsgremien ein.
O-Töne der Teilnehmer_innen
Vielen Dank für die spannenden Eindrücke!
Danke für die spannenden Diskussionen! Freue mich über Weiteres.
Danke für den gemeinsamen Vormittag.
Die Bitte an alle, sich jeden Tag positiv über eine Frau zu äußern, ob virtuell oder analog.
Vielen Dank für die interessante Veranstaltung
Vielen Dank für den spannenden Austausch.
Vielen herzlichen Dank für den Input und den Austausch
Super Veranstaltung! Danke!
Vielen Dank für die tolle Veranstaltung an alle. Speziell an Frau Dr. Köppel.
Tagesordnung
09:50 Uhr Ankommen
10:00 Uhr Technische Hinweise und Vorstellungsrunde
10:10 Uhr Einführung von Dr. Petra Köppel, Inhaberin Synergy Consult und Leiterin des Netzwerks ‚Synergie durch Vielfalt‘: Die Frau an den Herd und der Mann an die Front? Gedanken und Sachlage zur Coronakrise
10:20 Uhr Impuls durch Monika Schulz-Strelow (FidAR): Frauen in Führung – Status quo in den deutschen Betrieben
10:45 Uhr Interview mit Manja König (Berufstätige Mutter): Vollzeit berufstätig und Mutter in Zeiten von Corona – wie gelingt das?
11:05 Uhr Fuckup-Runde: Was gerade schlecht läuft – Ihre Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen
11:20 Uhr Wie geht es weiter mit der Gender-Arbeit und dem Diversity Management? Breakout-Sessions zu Instrumenten und LösungenA. Frauen und Männer stützen in der Findung ihrer RolleB. Gender-Arbeit neu denken in der KriseC: Digitale Formate für das Diversity Management: Die E-Toolbox Diversity
12:15 Uhr Wünsche ans Netzwerk ‚Synergie durch Vielfalt‘
12:30 Uhr Gemeinsamer virtueller Lunch und lockerer Austausch
13:00 Uhr Ende